QUELLE : bulletin.ch

Elektrounfälle mit Lernenden verhindern

Rund 30% der Elektrounfälle betreffen Lernende. Mehr als 300 Unfälle hätten 2018 mit der korrekten Einhaltung der fünf Sicherheits­regeln für spannungs­freies Arbeiten verhindert werden können. Ein Blick auf die Gründe für solche Unfälle und Empfeh­lungen zu ihrer Vermeidung.

Gründe für Elektrounfälle mit Lernenden gibt es einige, beispielsweise die Vernachlässigung der lebenswichtigen Regeln wegen Zeitdruck. Es ist Pflicht des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen in seinem Betrieb bezüglich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz von einer befähigten Person ausreichend und angemessen instruiert werden. (Art. 19 ArGV 5).

Gründe für Elektrounfälle

Abklärungen bei Unfällen mit Lernenden haben gezeigt, dass sich Mitarbeiter häufig ihrer Verantwortung nicht bewusst sind oder ihre Pflichten gegenüber den zugewiesenen Lernenden nicht kennen. Wird ein Lernender einem Mitarbeiter zugewiesen, so übernimmt dieser die Verantwortung für ihn und es besteht ihm gegenüber Aufsichtspflicht. Verunfallt ein Lernender bei der Arbeit, so trägt der Mitarbeiter mindestens eine Teilschuld. Jeder Mitarbeiter ist somit für die Sicherheit der Lernenden verantwortlich, nicht nur der Berufsbildner im Betrieb.

Lernende beobachten, wie Kollegen mit Vorschriften umgehen und passen sich schnell der gelebten Unternehmenskultur an. Deshalb ist es wichtig, dass im Betrieb eine solide Sicherheits- und Arbeitskultur herrscht.

Ungenügende Instruktion

Berufsbildner und Mitarbeiter sind verpflichtet, den Lernenden auszubilden und zu schulen. Zudem sind dem Lernenden klare, verständliche Aufträge zu erteilen, für die er vorgängig instruiert werden muss. Die Arbeits­sicherheit muss im Lehrbetrieb eine hohe Priorität haben.

Der Lernende muss lernen, die täglichen Gefahren zu erkennen. Er muss in der Lage sein, geeignete Massnahmen einzuleiten, um die Gefahren zu beseitigen. Dem Lernenden wird beigebracht, dass er bei Unsicherheiten Stopp sagen muss und umgehend seinen Vorgesetzten orientiert. Mit dem Vorgesetzten (Mitarbeiter) wird die Situation besprochen und Massnahmen für ein sicheres Arbeiten werden getroffen. Wird bei einer Arbeit eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) benötigt, so ist der Mitarbeiter verantwortlich dafür, dass der Lernende die korrekte Anwendung der PSA kennt und diese richtig anwendet.

Das jugendliche Gehirn

An einer Grossbaustelle herrscht beim Innenausbau kurz vor der Eröffnung meist ein Durcheinander. Jeden Tag müssen Probleme gelöst und Installationen angepasst werden. Plötzlich hat der Kunde noch neue Wünsche, die bis zur Eröffnung umgesetzt werden müssen. Der Tagesablauf kann häufig nicht wie geplant durchgeführt werden, da einzelne Konstruktionen noch nicht fertig sind, oder die Farbe an den Wänden noch nicht trocken ist. Genau in einer solchen Situation befindet sich das Gehirn bei einem Jugendlichen während der Pubertät.

Das Gehirn verändert sich in dieser Zeit schnell. Als Letztes wird die Kommandozentrale umgebaut: der präfrontale Cortex, der Frontallappen der Grosshirnrinde. Diese Hirnregion ist für die Steuerung der Aufmerksamkeit, für Entscheidungen und das Abschätzen der Folgen einer Handlung zuständig. Sie steuert auch die Emotionen. Diese Baustelle im Hirn begründet auch die manchmal impulsiven Handlungen von Jugendlichen. Dieser Umbau ist erst zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr abgeschlossen.

Aufgrund der Hirnentwicklung können Lernende unüberlegt oder risikoreich handeln. Deshalb muss die Arbeitsweise vom Lernenden viel häufiger überprüft werden.

Vorbildfunktion

Nicht nur das jugendliche Gehirn befindet sich in der Lehrzeit im Umbruch, sondern auch der Jugendliche selbst, der durch den Übergang von der Schule ins Arbeitsleben mit zahlreichen neuen Herausforderungen konfrontiert wird. Die Belastungen, die auf die Lernenden dabei einwirken, sind erheblich. Dazu kommen noch weitere Aspekte, die der Neuropsychologe Lutz Jäncke so ausdrückt: «Nie mehr im Leben wird ein Mensch so fasziniert sein von einem anderen Menschen wie in der Jugendzeit.» Wie kann man aber als Mitarbeiter und Vorgesetzter den Jugendlichen faszinieren? Man sollte versuchen, dem Lernenden ein Vorbild zu sein. Jugendliche suchen Vorbilder. Der Lernende erwartet eine motivierte, positive und qualitätsbewusste Einstellung. Jugendliche brauchen zudem klare Grenzen, und sie werden diese natürlich versuchen zu übertreten. Überschreitet ein Jugendlicher die festgelegten Grenzen, so muss sofort freundlich und bestimmt darauf reagiert werden. Aber auch die Freude an jedem Lernfortschritt sollte mit dem Auszubildenden geteilt werden und die Begeisterung für den zu erlernenden Beruf.

Fazit

Lernende können die Folgen ihres Handelns weniger gut einschätzen. Dadurch reagieren sie auf Störungen wie Handy, Lärm etc. viel intensiver und lassen sich schneller ablenken.

1. Arbeitssicherheit vom ersten Tag an. Es ist gerade bei Neueinsteigern wichtig, ihnen von Anfang an die Bedeutung des Arbeitsschutzes klarzumachen – damit Unfälle gar nicht erst passieren.

Die Ausbildung resp. Sensibilisierung der Lernenden für die Arbeits­sicherheit vom ersten Tag an führt zu einer besseren Risikowahrnehmung und ist ein wichtiger Baustein der Unfallprävention. Der Lernende muss vom ersten Arbeitstag an mit der geeigneten Schutzausrüstung ausgerüstet und geschult werden.

2. Arbeitsaufträge unterteilen und Teil­aufgaben dem Lernenden verständlich mitteilen. Eine regelmässige Überprüfung der Arbeiten vom Lernenden, insbesondere bezüglich des Arbeitsschutzes, hat dabei höchste Priorität, denn der Umbau vom Gehirn führt dazu, dass Lernende auch einfache Arbeiten nach kurzer Zeit verlernen können.

3. Sich der Verantwortung gegenüber dem Lernenden bewusst werden. Der Berufsbildner ist für die Ausbildung im Betrieb verantwortlich. Wird der Lernende einem Mitarbeiter zugeteilt, so trägt dieser die Verantwortung, vor allem für den Bereich der Arbeits­sicherheit. Eine Instruktion oder Sensibilisierung des Mitarbeiters durch den Berufsbildner kann nötig sein.

4. Keine Arbeiten unter Spannung. Der Lernende darf bis zum Überbetrieblichen Kurs im 3. Lehrjahr (ÜK 3) keine Arbeiten unter Spannung (AuS 1) ausführen. Er arbeitet nur an Anlagen und Installationen, welche nach den fünf Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten ausgeschaltet wurden und die er selbst unter Anleitung und Überwachung des Vorgesetzten auf Spannungslosigkeit überprüft hat.

5. Vorbild sein gilt für alle! Mitarbeiter in Lehrbetrieben müssen stets Vorbilder sein. Eine professionelle und motivierende Einstellung der Mitarbeiter am Arbeitsplatz überträgt sich schnell auf Lernende. Ein positives Arbeitsklima fördert das Qualitätsbewusstsein und trägt massgeblich zur Unfallverhütung bei.

Elektrounfälle von Lernenden können nur minimiert werden, wenn die ganze Firma keine Improvisationen zulässt und alle versuchen, dem Lernenden ein Vorbild zu sein.

Autor Thomas Hausherr Projektleiter im Team «Bildungsmedien» bei Electrosuisse hc.essiusortcele@rrehsuah.samoht